Kampagne anlässlich des
“Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen” am 25. November 2025
Häusliche Gewalt, Sexualstraftaten, digitale Gewalt, Femizide und Menschenhandel – das sind Straftaten, die das Bundeskriminalamt in seinem Lagebericht 2023 als geschlechtsspezifische Straftaten einordnet, die primär Frauen betreffen. Im Jahr 2022 wurden in Deutschland alleine 938 Frauen Opfer eines Femizids, es wurden 52.330 Vorfälle sexualisierter Gewalt gemeldet und 180.715 Fälle von häuslicher Gewalt.1
Diese Zahlen sind schockierend. Und für alle Fallkategorien ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer höher liegt, da bei weitem nicht alle Vorfälle zur Anzeige gebracht werden.
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Einer Studie im Auftrag der Europäischen Union zu geschlechtsbezogener Gewalt aus dem Jahr 2024 hat jede dritte Frau* in Europa mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexualisierte Gewalt erfahren. Dabei gibt der Großteil der Befragten an, dass die Täter (Ex-)Partner oder enge Bezugspersonen waren.2
Bis heute spiegelt sich diese Tatsache nicht in der Art und Weise wieder, wie in öffentlichen Debatten und Medienproduktionen über Gewalt gegen Frauen gesprochen wird: Mädchen wachsen mit der Vorstellung auf, dass ihnen körperliche oder sexualisierte Gewalt potenziell überall begegnen kann, hauptsächlich jedoch im öffentlichen Raum. Tatsächlich begegnen Mädchen und Frauen ihren Peinigern fast ausschließlich in ihrem nahen Umfeld – zuhause, unter Familienmitgliedern und in erster Linie durch ihre Partner. So beziffert das Bundeskriminalamt in seinem “Bundeslagebild Häusliche Gewalt 2023” den Anteil an Partnerschaftsgewalt an den Gesamttaten häuslicher Gewalt auf 65,5%.3
Der Rat, im öffentlichen Raum besonders auf der Hut zu sein, stellt insofern eine wenig hilfreiche Handlungsanweisung dar. Sie entlastet die Mehrheit der Täter und bereitet Frauen und Mädchen nicht auf die wahren Gefahren vor.
Auch über die Gruppe der Täter kursieren Missverständnisse in der öffentlichen Wahrnehmung: Sofern Gewalt gegen Frauen durch Medienberichte aufgegriffen wird thematisiert sie die Taten vor einem vermeintlich kulturellen Hintergrund der jeweiligen Täter oder verortet diese in sozial schwachen Milieus. Femizide und Gewalt gegen Frauen, die von BIPoC Männern ausgeübt wird, finden ihren Weg am ehesten als Skandalthema in die Medien – Gewalttaten weißer Täter jedoch kaum, oder sie werden verharmlosend als „Ehedrama“ oder „Familientragödie“ gerahmt.4
Diese einseitige Thematisierung von Gewalt an Frauen wird ihrer tatsächlichen Verbreitung in der Gesellschaft nicht gerecht. Denn häusliche Gewalt gegen Frauen kommt in allen sozialen Milieus und gesellschaftlichen Schichten vor.5
Eine neuere Kategorie an Gewalt, die insbesondere Frauen trifft, ist digitale Gewalt. Einer Studie der Technischen Universität München und der NGO Hate Aid zufolge sind 63% der politisch engagierten Frauen im digitalen Raum von geschlechtsspezifischer Gewalt wie Sexismus, Frauenhass und misogynen Aussagen betroffen. Fast einem Viertel von ihnen wurde zudem schon sexualisierte Gewalt angedroht.6
Das Ausmaß der Angriffe ist nicht verwunderlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Hass gegen Frauen der Dreh- und Angelpunkt ganzer internationaler Netzwerke ist, wie sie in der „Mannosphäre“7
zusammenkommen und in unterschiedlichen Subgruppierungen das Wiedererstarken einer als bedroht erlebten Männlichkeit propagieren – auf Kosten von Frauen. Vertreter von Bewegungen wie den Incels oder den Pick-Up-Artists sehen sich durch emanzipierte Frauen in ihrer Männlichkeit bedroht und streben danach, diese in geschlechtsspezifische Unterdrückungsverhältnisse (zurück) zu drängen.8
Dabei stellt die Mannosphäre nur einen Teil des antifeministischen Spektrums dar. Das Anliegen, ein konservatives Geschlechter- und Weltbild zu realisieren und Errungenschaften feministischer und Gleichstellungs-Politiken abzuschaffen eint Akteur*innen wie journalistische Gender-Gegner*innen, christliche Fundamentalist*innen, explizite Antifeminist*innen und rechte Akteur*innen.9
Insbesondere junge Menschen sind auf den unterschiedlichen Social Media Plattformen antifeministischer Propaganda ausgesetzt. Eine Studie des »Polarization & Extremism Research and Innovation Lab« der American University in Washington fand heraus, dass neuen YouTube-Accounts 16-jähriger Jugendlicher innerhalb von weniger als neun Minuten antifeministischer Content angezeigt wird.10
Wie stark der Blick junger – insbesondere männlicher – Menschen auf Geschlechterrollen durch diese frauenfeindlichen Inhalte künftig tatsächlich geprägt sein wird wird sich in den kommenden Jahren herausstellen. Gewalt gegen Frauen sollte in ihrer Bedeutung auch für den Zustand von Demokratien nicht unterschätzt werden. Es ist an der Zeit, menschenrechtsorientierte Haltungen zu verteidigen und für eine offene Gesellschaft einzutreten, in der alle ohne Angst leben können!
In Abgrenzung zu Kampagnen, die Frauen als Opfer in den Mittelpunkt stellen setzt die vorliegende Kampagne den Fokus auf die Täter. Die Bilder der Kampagne zeigen deutsche Männer, die unterschiedliche soziale Milieus der Bevölkerung repräsentieren. Gewalt gegen Frauen ist der eigenen Lebensrealität näher, als man denkt.





Die auf den Kampagnenbildern abgebildeten Männer sind alle Models, keine Täter. Die ausgewählten Motive stehen exemplarisch für unterschiedliche Formen der Gewalt, denen Frauen ausgesetzt sind.
Gefördert durch

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Credits
Eine Kampagne der Gleichstellungstelle der Stadt Bielefeld.
Konzept/ Fotografie/ Text: Onna Buchholt
Design: Sercan Yavasoglu
Resources
1 Vgl.: HateAid, Koch, L., Voggenreiter, A., Steinert, J.I. (2025): Angegriffen & alleingelassen. Wie sich digitale Gewalt auf politisches Engagement auswirkt. Ein Lagebild, Online verfügbar: https://hateaid.org/hass-hetze-politisch-engagierte-safe-to-engage/?mtm_campaign=safe-to-engage-lp&mtm_kwd=safe-to-engange-studie-kurzfassung [12.10.2025].
2 Die Mannosphäre ist eine digitale Gemeinschaft antifeminitischer und frauenfeindlicher Akteure und dient oftmals als Einstieg in extrem rechte Gruppierungen. Vgl.: Korte, Merle (2023): Digitaler Hass und Demokratiegefährdung: Über Misogynie und Antifeminismus sowie Anschlussstellen zur extremen Rechten am Beispiel der Gruppierung Men Going Their Own Way (MGTOW), in: Drücker, Ansgar/ Seng, Sebastian, Winterscheidt, Lea (Hrsgs.): Antifeminismus und Feminismen der Migrationsgesellschaft, Düsseldorf, S.27.
3 Vgl.: Pohl, Rolf (2025): Der Traum von der völkisch-patriarchalen Idylle. Antifeminismus und Rechtsextremismus als Schiefheilung der bedrohten Männlichkeit, in: Niendorf, Johanna/ Kalkstein, Fiona, Rodemerk, Henriette et alii. (Hrsgs): Antifeminismus und Provinzialität. Zur autoritären Abwehr von Emanzipation, Bielefeld, S.108.
4 Vgl.: Blum, Rebekka (2019): Angst um die Vormachtstellung. Zum Begriff und zur Geschichte des deutschen Antifeminismus, Hamburg, S.61.
5 Vgl.: Snyder, Rachel Louise (2025): We underestimate the manosphere at our peril, in: New York Times, 28.03.2025, Online verfügbar: https://www.nytimes.com/2025/03/28/opinion/manosphere-online-boys-parents.html [12.10.2025].
6
Vgl.: HateAid, Koch, L., Voggenreiter, A., Steinert, J.I. (2025): Angegriffen & alleingelassen. Wie sich digitale Gewalt auf politisches Engagement auswirkt. Ein Lagebild, Online verfügbar: https://hateaid.org/hass-hetze-politisch-engagierte-safe-to-engage/?mtm_campaign=safe-to-engage-lp&mtm_kwd=safe-to-engange-studie-kurzfassung [12.10.2025].
7 Die Mannosphäre ist eine digitale Gemeinschaft antifeminitischer und frauenfeindlicher Akteure und dient oftmals als Einstieg in extrem rechte Gruppierungen. Vgl.: Korte, Merle (2023): Digitaler Hass und Demokratiegefährdung: Über Misogynie und Antifeminismus sowie Anschlussstellen zur extremen Rechten am Beispiel der Gruppierung Men Going Their Own Way (MGTOW), in: Drücker, Ansgar/ Seng, Sebastian, Winterscheidt, Lea (Hrsgs.): Antifeminismus und Feminismen der Migrationsgesellschaft, Düsseldorf, S.27.
8
Vgl.: Pohl, Rolf (2025): Der Traum von der völkisch-patriarchalen Idylle. Antifeminismus und Rechtsextremismus als Schiefheilung der bedrohten Männlichkeit, in: Niendorf, Johanna/ Kalkstein, Fiona, Rodemerk, Henriette et alii. (Hrsgs): Antifeminismus und Provinzialität. Zur autoritären Abwehr von Emanzipation, Bielefeld, S.108.
9
Vgl.: Blum, Rebekka (2019): Angst um die Vormachtstellung. Zum Begriff und zur Geschichte des deutschen Antifeminismus, Hamburg, S.61.
10
Vgl.: Snyder, Rachel Louise (2025): We underestimate the manosphere at our peril, in: New York Times, 28.03.2025, Online verfügbar: https://www.nytimes.com/2025/03/28/opinion/manosphere-online-boys-parents.html [12.10.2025].